Anfang
April war ich mittags zum Essen eingeladen. Ich war schon wieder spät dran,
also hielt ich an diesem See und ging mit meinem Hund durch eine undichte
Stelle des Maschendrahtzaunes. Offiziell soll man sich da nicht aufhalten. Die
Fischer kriegen einen Hals.
Damit
mein Hund sich schneller lösen konnte, sollte er mit allen Vieren am Ufer
durchs Wasser gehen. Ich fand ein Stöckchen, was ich nur aufs Uferwasser warf,
denn er sollte ja nicht ganz rein. Eine Woche vorher war noch eine Eisdecke auf
der Wasseroberfläche.
Mein
Santos sprang zum Stöckchen, schubste es mit seiner Masse auf den See hinaus,
sprang hinterher, packte es mit dem Fang, drehte sich um und hatte den Boden
unter den Füßen verloren. Das Ufer fiel ohne Übergang steil ab ins Tiefe.
Er
streckte die Hinterpfoten nach unten, um den Grund zu ertasten, der nicht da
war. Ganz steif! Er ruderte noch etwas mit den Vorderpfoten, das Wasser
erreichte schon seine Ohren, ich rief: BEINARBEIT!
(In
meiner Jugend war ich als Leistungs- und Rettungsschwimmerin auch
Riegenführerin einer Kinderriege, rief oft vom Beckenrand: Beinarbeit).
Was
man doch in einer Schocksituation für einen Quatsch sagt!! Als wenn der Hund
was damit anfangen könnte!
Als
sich die Wasseroberfläche über seinem Fang schloß, dachte ich für
Zehntelsekunden: läßte ihn jetzt absaufen, dann mußte dich nicht mehr über ihn
ärgern. Ist Schicksal.
Nachträglich eingefügt: Ich hatte damals ziemliche Machtkämpfe mit meinem Hund. Die sind aber Vergangenheit.
Santos sah mich noch unter der Wasseroberfläche an, ohne Panik, der Körper war ganz
steif, den hellen Stock ohne Rinde hatte er noch im Fang. Diese Sekunde des
gegenseitigen Anschauens vergesse ich nie.
Da
schmiß ich meinen Wintermantel nach hinten in den Matsch und sprang mit dicken, gefütterten Gummistiefeln und
Klamotten ins kalte Wasser. Ich sah den schwarzen Hund im schwarzen See nicht
mehr, nur den hellen Stock und die goldene Halskette.
Ich
packte ihn unten an der Halskette und zog ihn hoch. Dabei ging ich natürlich
(durch das Hebelgesetz ) unter. Hauptsache, ich hielt ihn oben. Weil
ich so weit unten war, hielt ich ihn einfach am Popo oben. Dann tauchte ich
wieder neben ihm auf, er stützte sich auf meinem Kopf ab und ich schoß wieder
nach unten. Dabei rutschte er auch noch von meinen nassen Haaren ab und
verpaßte mir einen Kratzer von der Halsschlagader bis zum Decolté. Meine
pinkfarbene Brille flog in hohem Bogen ins Wasser.
Okay,
egal, nur den Hund dabei festhalten, daß der nicht wieder untergeht. Während
ich ihn mit der linken Hand hochhielt, tauchte ich hinter ihn, packte ihn unter
die Rippenbögen und schob ihn mit meiner Beinarbeit wie ein Brett zum Ufer und
aus dem Wasser.
Ja
glaubt Ihr, der hätte einen Schock gehabt!?
Mein
Hund rannte fröhlich mit dem Stöckchen weg, als wäre nix passiert! Ich war
fassungslos!
Ich
habe hinterher so überlegt, hat der wohl gedacht: och, meine Alte holt mich
sowieso 'raus? So eine Sicherheit ist ja schon bald eine Frechheit! - Wenn Ihr
versteht, was ich meine.
Ich
tauchte dann noch nach meiner Brille. Aber da der Schock vorbei war, spürte ich
das eisige Wasser plötzlich, und je tiefer ich kam, desto eisiger wurde mein
Kopf.
Ich patschte mit meinen wassergefüllten Gummistiefeln zum Auto.
Hund
hinten rein, riß mir die naßkalten Sachen vom Leib, mit einem sauberen
(Gottseidank!) Autohandtuch abgerubbelt, dann meine schwarzen Pumps an und den
warmen, trockenen Mantel über meine Nackichkeit. Klätschnasse Haare und
Wimperntusche verschmiert! Ja toll! Und so zum Date!
Dort
bin ich dann in die heiße Wanne gestiegen und wir haben uns was Leckeres kommen
lassen.
Auf
dem Wege nach Hause rief ich meine Hundefreundin (3 Rottis) an, die mit ihrem
Mann und dem Züchter und anderen Hundlern zusammensaßen. Als ich ihr das
erzählte, war sie fassungslos. Jeder Hund kann doch schwimmen! Nee. - Dann rief
sie mich zurück, ihr Mann wolle am nächsten Tag mit seiner Taucherausrüstung
meine Brille hochholen.
Er
tauchte mit Lampe, so dunkel war das da unten. Und tief. Er brauchte
tatsächlich 20 Minuten, bis er sie fand. Beide Gläser waren gesprungen von der
eisigen Kälte auf dem Grund.
Zwei
Monate später war ich in Wien auf einem Wochenendseminar für Unterordnung und
Schutzdienst. Meine Freundin und ich erzählten den Vorfall, alle Kameraden am
Tisch sagten: nee, das gibts nicht, jeder Hund kann doch schwimmen!
Da
sagte der Hundeausbilder, der seit 35 Jahren nichts anderes macht:
Mitnichten!
Ich höre in den letzten Jahren immer öfter, daß Hunde untergegangen sind. Der
Hund ist in dem Moment paralysiert (vollständige Bewegungslähmung). In einem
Fall hatte ein Ehepaar einen Neufundländer (ein Schwimmhund, der sogar
Schwimmhäute zwischen den Zehen hat!!). Der rutsche an der Uferböschung in die
Donau, ging vor den Augen der Leute unter und tauchte nicht wieder auf.
Tja,
das ist ein Ding, nicht wahr?
Also,
nicht einfach Eure Hunde ins Wasser nötigen, wenn Ihr nicht genau wißt, daß sie
nicht schwimmen können.
Mein Santos
kann inzwischen schwimmen. Sein Schwimmstil entspricht zwar nicht meinem
sportlichen Schönheitsbewußtsein, aber er hält sich wacker über Wasser.
Tja,
Sachen gibt's!!
Eine schöne Geschichte.
AntwortenLöschenRührende Geschichte.. hatte Tränen in den Augen als ich sie gelesen habe...
AntwortenLöschenlg aus Wien..
Naddy & ihre Wuffs (Phönix, Xena, Zeus)
Gisela, eine dramatische Geschichte.Sie gefällt mir.
AntwortenLöschenIch kann euch beide verstehen.
Heute bin ich froh, daß ich ihn rausgezogen habe. Ich hätte mir ewig Vorwürfe gemacht. Ich hätte mit Sicherheit nach dieser Unterlassungssünde therapeutische Hilfe benötigt. Wenn man retten kann und es nicht tut, dann ist das schrecklich! Für mich war das keine Aktion. Ich würde das immer wieder machen.
LöschenUnd jetzt hab ich mit meinem Hund das beste Verhältnis. Er ist am 19. Mai 8 Jahre alt und gesund und drahtig wie ein 3Jähriger. Er liebt mich in seiner brummeligen Art. So ist jeder Hund anders.
Vielleicht war es ein anstrengendes Zeichen für euch Beide.
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