Sonntag, 25. November 2012

Kommt mal mit, ich zeig Euch was

In der Nähe von Anger, wo ich als Kind mit meinen Eltern Ferien machte, ist ein weites Gebiet, wo man schön mit dem Hund gehen kann. Von dem Schuppen aus, wo ich immer parke, geht ein Weg hinunter über weite Felder und durch Waldgebiet.

Eins meiner Wandergebiete - draufklicken
Vom oberen Foto der rechte Anschluss
Und jedesmal komme ich da an einem alten, verfallenen Haus vorbei. Und immer bleibe ich am Weg stehen und schaue über die Wiese darauf und überlege, ob darin wohl mal damals Leute gewohnt haben oder ob das immer schon ein Abstellschuppen für den Bauern war.

So ging ich heute mal über die Wiese zu dem Haus, um es mir näher anzuschauen. Es war ein Steinenhaus, in dem jetzt ein Heuwagen steht.

Draufklicken, dann kann man mehr erkennen
Rechts neben dem Heuwagen führt eine Tür ins Haus. Ob das wohl der Hauseingang war?

Die Tür führte in einen Stall
Der Stall wäre eigentlich noch nutzbar. 
An der hinteren Wand befindet sich eine lange Futterkrippe.
Alter Stall mit festgestampftem Lehmboden
Die Holztür links führt in die Halle, in der der Heuwagen stand. Die oberen Deckenbalken waren wohl mal erneuert worden. An der rechten Stallwand lehnt die Holztür, die wohl zum Eingang gehörte.

Betonierter Abfluss vom Stall in Sickergrube
Ich kippte die Tür weg und fand dahinter einen grosszügig betonierten Abfluss. Wahrscheinlich lief dadurch die flüssige Gülle aus dem Stall in eine Sickergrube. Hinter der Steinwand war ja auch draußen ein Holzverbau. Dort war wohl zur damaligen Zeit das Plumpsklo. Alles rein in die Sickergrube. War ja damals normal so.

Nun sind aber über dem kleinen Stall Fensterchen, die darauf hinweisen, dass dort wirklich mal Menschen gewohnt haben. Aber wo waren die Zimmer oben, wenn doch keine Decke mehr im Haus war?

 Zimmerfenster über der Stalltür 

Ich ging links neben das Haus und blickte durch einen Sehschlitz zwischen Brettern. Da sah ich, dass damals dort eine Zwischendecke im Haus gewesen sein muß.

Am dunklen Streifen der Wand war damals die Decke
Also, der Eingang, wo jetzt der Heuwender steht, der war damals wohl ein kleinerer Hauseingang. Da stand man sozusagen im Hausflur, von wo es rechts in den Stall und links in Stube und Küche ging. Und oben waren die Schlafzimmer.

Nun brauchte ich noch einen alten Menschen, der meine restliche Neugier befriedigen konnte. Bis wann haben darin Menschen gelebt, wurden Kinder geboren und sind Alte gestorben?

Ich fuhr weiter oben ins Dorf und zum nächsten Wohnhaus, das mit akkuratem Garten dort in der Sonne stand. Ich klingelte. Es öffnete keiner. Ich ging herum und schaute durch ein Fensterchen. Dort lag eine alte Frau auf einem Eisenbett, gemütlich eingemuckelt, und hielt ihr Nachmittagsschläfchen. Sie hatte die Klingel nicht gehört.

Ich schellte im Anbau daneben. In der Frau, die aus der Terrassentür kam, erkannte ich Heidi, eine alte Freundin aus der früheren Clique wieder. So eine Überraschung! Aber nee, sie wusste nichts über die Geschichte des alten Häuschens in der Wiese. Und die Oma wollte ich nicht wecken. Bevor ich zum Auto ging, schaute ich nochmal durch das Küchenfensterchen. Oma war wach und schaute mich an.
Sie bat mich in die warme Stube. Wir saßen am Kachelofen. Ich zeigte ihr das Häuschen auf meinem Digital-Display und fragte, ob da mal Menschen drin gewohnt haben.

"Jo freilich, do ham de Wanninger drin g'wohnt. Und da rechts war das Vieh drin. Und oben die Zimmer".
Ich fragte nach dem betonierten Abfluss im Stall. Da erinnerte sie sich:
"Oh mei, wie oft ist der überg'laufen! Des woar schlimm!".
Zum Schluss fragte ich die alte Frau noch, bis wann das Haus denn bewohnt gewesen sei.
"Die letzten Leit sind nach Kriegsende ausg'storbm, ab da wohnte niemand mehr darin".

Ich bedankte mich bei der über achzigjährigen Frau und sagte, ihre Familie nebenan hätte mir das nicht sagen können. Sie wusste nicht, welche Familie ich meinte. "Ja, die Leute, die neben Ihnen im Anbau wohnen". Die kannte sie nicht.

Bevor ich fuhr, ging ich nebenan zu Heidi und sagte ihr, dass ich nun Bescheid wüsste. Nee, meinte sie, das kann nicht sein, Oma sei dement. Sie würde ihre eigene Enkelin und die Heidi ja nicht mehr kennen.
Heidi fragte ihre Schwiegertochter (die Enkelin der Oma), ob die Leute Wanninger geheissen haben könnten. Ja, es stimmte alles.

Von der Demenz der alten Frau hatte ich nichts bemerkt. Wie auch? Ich hatte ihr Fragen gestellt, die sie exakt beantworten konnte, weil sie in die Vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gehörten.
Vielen Dank, altes Mütterchen!


DVD Weihnachts-Backkurs

2 Kommentare:

  1. Ich kann deine Neugier sehr gut verstehen, so eine Zeitreise ist immer was feines und vieles hat eine tolle Geschichte zu erzählen. Zum alten Mütterchen ist zu sagen, dass das Gedächtnis rückwärts abnimmt, sprich an Altes erinnert man sich recht gut, nur nicht an Kürzliches.

    AntwortenLöschen
  2. Dass interessiert mich auch immer, was so alte Häuser wohl alles zu erzählen haben und auch alten Leuten höre ich gerne zu, wenn sie von einer Zeit erzählen, die wir gar nicht mehr kennen.
    Und Menschen die an Demenz erkrankt sind können sich an Dinge von früher erinnern, nur die Gegenwart verlieren sie. Liebe Grüße, Lore

    AntwortenLöschen