Dienstag, 4. Dezember 2012

Das "Haus zum Türken" in Berchtesgaden

So wie mein Vater uns damals in den großen Ferien über den Obersalzberg geschleppt hat und in die Bunkeranlagen, die noch zu begehen sind, so mache ich das heute mit Freunden und Bekannten, die hier Urlaub im Berchtesgadener Land machen.

Bevor ich mit meinen Freunden zum Parkplatz fahre, von wo aus die Busse zum Kehlsteinhaus fahren, parken wir etwas unterhalb am Obersalzberg, am Hintereck. Dort steht das "Hotel zum Türken". Von diesem Gebäude aus geht es innen eine steinerne Wendeltreppe hinunter in weit ausgebaute Bunkeranlagen, die schon feuchte Fussböden hatten, als ich noch ein kleines Mädchen war. Das Hallen der Worte, wenn man spricht, der Geruch, das diffuse Licht, nichts hat sich verändert.

Über die Begehung der Bunkeranlagen will ich jetzt nicht weiter eingehen, auf den Zwinger, der für Hitlers Schäferhündin Blondie gebaut wurde, die Wachräume für die SA, deren Toiletten und Duschen, die Stahlbetonwand, die bei einem Versuch mit einer Panzerfaust beschossen wurde, all das sollte man sich mal selbst anschauen. Man wirft ein 2,00 Euro-Stück in einen Schlitz und kann das große Drehkreuz bewegen und kommt dann direkt über die Wendeltreppe hinunter.



Diesen Sommer fragte ich mal endlich den Mann, der an der Kasse saß, was es denn mit dem Hausnamen "Zum Türken" auf sich habe. Dass in Berchtesgaden ein Haus so einen Namen hat, das fanden wir schon vor 50 Jahren ungewöhnlich.
Ich bekam ein Din-A-4-Blatt, auf dem alles stand:

Das historische Haus "Zum Türken"
und seine Bunkeranlagen am Obersalzberg

Der Ursprung des "Türken" war etwa 1630 das "Jakobsbichl-Lehen". Es gehörte seinerzeit zum Chor-Herrn-Stift Salzburg. Der damalige Hausherr musste 1683  für seinen Lehensfürsten in den Krieg gegen die Türken ziehen. Nach seiner Rückkehr wurde er von den Einheimischen nur noch "der Türke" genannt. Sein Haus wurde von nun an zum "Türkenhäusl". Im Laufe des 18. Jahrhunderts konnten die Lehen von den damaligen Eigentümern erworben werden. Bis in die heutige Zeit sind die Bewohner der alten Lehen unter den Einheimischen nur nach dem Namen des von ihnen bewohnten Lehen benannt.

Am 27.09.1911 kauften Karl Schuster und seine Frau das "Türkenhäusl" auf dem "Jakobsbichl" für den damals stattlichen Preis von 8000,00 Goldmark. Hiernach baute Karl Schuster das Haus für weitere 109.000 Goldmark um und aus. Das alte Türkenhäusl wurde in den Neubau voll integriert und ist bis heute in Form des kleinen Gäste-Stüberls erhalten geblieben. Die Gasträume erhielten eine wertvolle und handgeschnitzte Ausstattung, unter anderem einen Wandfries mit den Namen und den Wappen der Fürst-Pröpste von Berchtesgaden.
Karl Schuster war ein vielseitiger Mann, spielte Zither, war Bergführer, Kommandant der Feuerwehr, Gemeinderat, Kunstmaler, Holzschnitzer und sehr bald der allseits bekannte "Türken-Wirt". Seine Frau, eine gebürtige von Kabas aus dem Schloß Winklhof in Oberalm bei Hallein, war eine ausgezeichnete Köchin - Voraussetzungen für einen gut gehenden Gasthof mit verwöhnter Kundschaft - eine ebenso hervorragende Wirtschafterin, eine fürsorgliche Mutter, deren Lebensmut und Beharrlichkeit sich bis auf die heutigen Eigentümer (alle in der ersten weiblichen Linie) übertrug.
Bis zum Jahre 1933 ging alles seinen relativ normalen Gang, mit viel Arbeit aber auch mit ebenso viel Anerkennung durch die teilweise sehr illustren Gäste. Viele prominente Herrschaften gaben sich die Ehre und die Gasthausklinke in die Hand. So war es dann nicht weiter verwunderlich, daß sich Bormann für den "Gasthof zum Türken" stark interessierte, jedoch mit Kaufangeboten bei Karl Schuster auf taube Ohren stieß. Dann ging alles Schlag auf Schlag und die offene und gerade Art von Karl Schuster wurde ihm, seiner Familie und dem Hause "Zum Türken" in letzter Konsequenz zum Verhängnis.

Durch eine Unmenge von Repressalien "weich gekocht" verkaufte dann schließlich der zwischenzeitlich wegen "diffamierender Äußerungen" , - in Dachau - inhaftierte, entnervte und gesundheitlich bereits angeschlagene Karl Schuster sein Anwesen um repektable 165.000  Reichsmark. Von der vereinbarten Kaufsumme wurden kurzerhand 90.000 Reichsmark auf Verwahrung gebucht, und von der NSDAP einbehalten. Nach Abzug seiner Verbindlichkeiten verblieb Karl Schuster: NICHTS - außer einer unsäglichen Ohnmacht. Hiernach verstarb Karl Schuster verbittert und seines Lebensmutes beraubt 1934 im Alter von 56 Jahren. 
Am 25. April 1945 wurde der Obersalzberg bombardiert. Für den "Türken" schlug seine vermeintlich letzte Stunde. Stark getroffen und nahezu zerstört setzten dann am Haus die Plünderungen ein. Es wurde in den nächsten Tagen alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war, und selbst das wurde noch demontiert. Frau Therese Partner geb. Schuster, nahm Ende 1945 Besitz von den verbliebenen Trümmern des Türken und machte sich ohne Erlaubnis der Besatzungsmächte mühevoll daran, ihre Heimatstätte notdürftig in einen relativ wohnlichen Zustand zurückzuversetzen. Da der Obersalzberg von den Aliierten konfisziert war, und sie ohne Erlaubnis die Ruine bewohnte, musste sie 1947 den Besitz wieder räumen. 1948 strebte die Witwe von Karl Schuster das Wiedergutmachungsverfahren an. Nach einem unsäglichen Hickhack und einem sittenwidrigen Vergleich mit den Bayrischen Behörden, konnte Therese Partner im Dezember 1949, - ein Jahr nach der Währungsreform - das Anwesen für 69.000 DM vom Land Bayern zurückerwerben.
Das "Hotel Zum Türken" ist bis zum heutigen Tage, bereits in der vierten Generation, im Familienbesitz.

Ende der Abschrift.

Das war jetzt eine lange Erklärung und Ausführung. Aber ich konnte nichts weglassen. Für mich war auch jeder Satz lesenswert.
Dieser Bormann, der Halunke! Von dem Geld, um das er die Familie Schuster wohl gelinkt hat, hat er sich bestimmt sein Hobby finanziert: eine große Gewächshausanlage in seinem Garten vor dem Haus, das er auch oben auf dem Obersalzberg bewohnte. Er mußte ja im Winter Erdbeeren haben, für die Damengesellschaft, die zu Feiern auf den Obersalzberg kamen, frische Rosen oder Orchideen. Auch im Winter. Überhaupt hat man in der Zeit vom Krieg nicht viel mitbekommen in Berchtesgaden.
Als die Schwester von Eva Braun einen hochdekorierten SS-Obersturmbannführer heiratete, dauerte die Party oben im Kehlsteinhaus 7 Tage. Es gibt Fotos, wo sie lachend und Sekt trinkend auf dem Mäuerchen sitzen und runter auf den Königssee schauen.
Was haben sich die Bauern oft aufgeregt und die "Hohen Herren" beschimpft, wenn sie im strengen Winter mit ihrem "Horch" mit Sommerreifen auf den Berg fuhren. Wie oft mußten die Wagen mit den Pferden der Bauern aus dem Straßengraben gezogen werden. Diese Depperten, diese! So ließ ich es mir von den Alten erzählen. Und nein, man hatte keinen Respekt vor diesen Eindringlingen, die die ganze Ruhe im Ort störten.

Aber ich schweife jetzt aus und höre auf. Sonst schreibe ich morgen noch. Es gibt tolle Informationen und Bilder, die Ihr übers Netz erlesen und erwandern könnt.
Sehet selbst:


Und hier geht's in die Bunkeranlagen:




DVD Weihnachts-Backkurs

1 Kommentar: